Donnerstag, 11. September 2014

Die schönsten Behauptungen über Grundschullehrer

Wie viele andere Berufsgruppen auch, hat die Gesellschaft auch über Grundschullehrer ganz bestimmte Vorstellungen, die mitunter extrem übergeneralisiert oder schlechthin falsch, aber zumeist doch recht amüsant sind.
Wer meiner Berufsgruppe angehört, wird einige dieser Aussagen mit Sicherheit wieder erkennen und kann diese Liste gerne per Kommentar erweitern.
Die Aufstellung dieser Behauptungen sind kein Ranking, sondern zufällig gewählt und wurden mit etwas Schmunzeln abgetippt.

  • Grundschullehrer müssen singen, tanzen und malen können:
    Es kann durchaus von Vorteil sein, wenn ein GS-Lehrer diese Talente in petto hat, da sie einige Dinge durchaus erleichtern (wie z.B. das Vorsingen und passende Begleiten eines Liedes, das die Kinder gerade erlernen oder das Zeichnen von Modellen oder Sachverhalten, um ein Thema bildnerisch zu erläutern). Ich kenne aber unzählige Lehrer, die nichts davon können, aber dennoch gute Pädagogen sind.
  • Als (Grundschul-)Lehrer hat man fürs Leben doch ausgesorgt:
    In dieser Aussage stecken meist zwei Meta-Nachrichten:
  1. Wir verdienen Unmengen von Geld.
  2. Uns kann im Berufsleben eigentlich nichts passieren, da wir Beamte auf Lebenszeit sind.
 Zu 1) Ich bestreite nicht, gutes Geld für meine Arbeit zu erhalten.       
         Wahrscheinlich verdiene ich mehr als die durchschnittsdeutsche Frau. 
         Jedoch bin ich weit weg von "Unmengen" und ich werde 
         höchstwahrscheinlich niemals als Tante Dagoberta in einem Geldspeicher 
         schwimmen.
         Wenn ich Bekannten einmal die nackten Zahlen meines Verdienstes auf 
         den Tisch lege, sind diese meist erstaunt, da sie mit viel mehr gerechnet 
         hätten. 

 Zu 2) Entgegen der gängigen Meinung sind längst nicht alle Lehrer Beamte 
         oder werden verbeamtet. Die allermeisten Lehrkräfte erhalten zu Beginn 
         ihrer Lehrerlaufbahn erst einmal 'Vertretungsverträge' und sind damit 
         Angestellte im Öffentlichen Dienst. 
         Ob man dann tatsächlich verbeamtet wird, entscheidet mitunter 
         ein Amtsarzt und Aspekte wie Alter, Gewicht, chronische Erkrankungen...
         Dass man als Beamter unkündbar ist, ist übrigens auch nicht wahr. Es 
         gibt immer wieder Fälle, in denen der Beamtenstatus beendet und/ oder 
         Lehrern gekündigt wurde. 

  •  (Grundschul-)Lehrer haben mittags frei und 12 Wochen Urlaub im Jahr: Zunächst einmal kommt es äußerst selten vor, dass ich mittags zu Hause bin, geschweige denn frei habe. Denn nach dem Unterricht ist eigentlich immer noch etwas im Schulgebäude zu tun. Auch haben wir mehrmals pro Woche noch Gespräche mit Eltern, Kollegen etc. sowie in regelmäßigen Abständen Lehrerkonferenzen (mehrmals im Monat) am Nachmittag. Und selbst wenn wir zuhause sind, heißt es dort: Unterricht nach-und vorbereiten, Telefonate führen, Emails schreiben, Verwaltungs- und Organisationskram erledigen.
       Gleiches gilt für die Ferien: Ich bin mir über das Privileg des Vier-mal- 
       pro-Jahr-Urlaubhabens durchaus bewusst. Dennoch ist es keinesfalls so, 
       dass ich währenddessen bis mittags schlafe, danach nur in der Sonne liege 
       und relaxe. Häufig warten in den Ferien die gleichen Aufgaben auf mich 
       wie auch während der Schulzeit. Nur das Unterrichten fällt weg. Denn z.B. 
       haben Eltern auch während der Ferien Fragen und Anliegen. 
       
      Ach ja, und als "Strafe" für unseren ach so leichten Job und die vielen  
      Urlaubstage innerhalb des Jahres hat unser Beruf auch eine Schattenseite: 
      Nicht selten müssen wir doppelt oder dreimal so viel für einen Urlaub 
      zahlen als diejenigen, die außerhalb der Ferien verreisen. ;)

  • Grundschullehrer müssen nicht viel können, außer den Kindern schreiben, lesen und rechnen beibringen:
    Hierzu möchte ich ein nette Anekdote erzählen, die ich erst vor zwei Wochen erlebt habe. Eine Nachbarin, Mitte 20, kam zu mir und hatte "da mal ne Frage": "Also, im Moment bin ich ja noch Pflegehelferin, aber das macht mir nicht so Spaß. Weil ich Kinder mag, möchte ich gerne ne Umschulung als Grundschullehrerin machen. Braucht man da Mittlere Reife?"  Hmm... Wie antwortet man bloß auf so etwas? Zunächst fragte ich: "Was hast du denn für nen Schulabschluss?"   - "Hauptschule."
    Ich war froh, dass es just in diesem Augenblick zu gewittern begann und unser Gespräch ganz schnell beendet werden musste. Danke, Petrus!      Also, nur ganz kurz zur Info:
  1. Um Grundschullehrer zu werden, muss man an einer Uni studieren.
    Dies setzt - what a surprise - ein Abitur voraus.
  2. An den meisten Hochschulen benötigt man sogar ein recht gutes Abitur, um für dieses Studium direkt angenommen zu werden.
  3. Zu "meiner Studienzeit" musste man noch Deutsch, Mathe und ein weiteres Fach studieren. Dabei lernte man z.B. in Mathe nicht das Einmaleins, sondern "echte Hochschulmathematik" (da waren die nervigen Kurvendiskussionen der Sekundarstufe II nichts gegen). Gerade wegen dieser anspruchsvollen Mathematik (insbesondere an der Uni Köln!) gaben so manche Studenten dieses Studium auf und wechselten zur Sek. I oder II, weil es da leichter war. Ja, richtig gehört: Für so manches Gymnasialfach sind die Hürdern weitaus geringer als für die Grundschule!

    Auch heute noch ist das Grundschulpädagogik sehr anspruchsvoll und äußerst kognitiv geprägt (auch wenn immer mehr Praxiselemente integriert werden). Die behandelten Themen haben häufig nichts zu tun mit dem Stoff, den man später lernen soll. Dennoch lernt man wirklich viel und kann getrost bei "Wer wird Millionär?" mitmachen, ohne sofort rauszufliegen.                           
    Ach ja: Hat man das Studium geschafft, so folgt der auch noch der "Vorbereitungsdienst", besser bekannt als "Referendariat". Auch hier muss man - neben dem Unterrichten - noch sehr viel mehr können als ein bisschen Deutsch und ein bisschen Mathe.
  • (Grundschul-)Lehrer sind Klugscheißer: Diesem Fakt zu widersprechen würde keinen Sinn machen, denn: Dieses Vorurteil ist keines!
    Lehrer wissen immer über alles und jeden Bescheid :) (und selbst wenn nicht, können sie es so überzeugend überspielen, dass jederman denkt, sie wüssten es doch- sie selbst inbegriffen).
    Tatsächlich haben die meisten Lehrer eine wirklich fundierte Allgemeinbildung, allerdings können sie ihre Profession im Privatleben häufig nicht beiseite legen und das Belehren anderer Leute nicht unterlassen.
    Ein Beispiel hierzu: Mein Mann ist Steuerberater (ja, jeder so seine Macken) und betont jedesmal: Die schlimmsten Mandanten sind Lehrer!!!
    Denn sie kommen bereits mit unendlich vielen Zeitungsausschnitten, Büchern usw. in die Kanzlei und wollen den tatsächlichen Experten damit beweisen, was man angeblich alles absetzen könne ("Das stand in der letzten Lehrerzeitung!"). Dass sie dabei manchmal nur die Hälfte gelesen oder gehört bzw. Wichtiges nicht bemerkt haben, ignorieren Lehrer gern.  In so mancher Steuerberaterkanzlei - habe ich mir sagen lassen - wird ausgelost, wer den Lehrer als Mandanten betreuen MUSS. Und wer eine Niete hat, freut sich wie Bolle.
  •  Grundschullehrer haben doch einen laschen Job- die Kleinen sind doch noch so lieb:Diesen Spruch bekomme ich eigentlich IMMER zu hören, wenn ich offenbare, was ich beruflich mache. Ich bestätige dies, füge aber hinzu: Ja, das stimmt, die Kleinen sind genauso lieb wie die großen, wenn sie lieb sind. So mancher klinkt sich an dieser Stelle des Gespräches bereits aus, weil er nicht verstanden hat, was ich meine.
    Andere fragen, was ich damit meine und wieder andere relativieren bereits selbst: "Na gut. Es gibt solche und solche..."

    Dies ist korrekt: Ich liebe Kinder und ich liebe es, Kindern die Wege zur Schrift, zum Rechnen und zu vielen Wissengebieten zu (er-)öffnen. Allerdings muss man hinzufügen, dass jede Altersgruppe so seine Pro und Contras inne hat. Während Teenies häufig etwas "destruktiv" ("Keinen Bock!") agieren, auf cool machen und für uns seltsame Gesprächsthemen haben, so haben Grundschüler ebenfalls ihre "Mankos".
    Wer dies nicht glauben mag, den lade ich gerne für eine Woche oder nur einen Tag zur Hospitation ein (Ich sage nur: Lautstärkepegel, Einnässen, Magen-Darm-Viren, ADHS usw.).
    Denn: Genauso, wie nicht jeder Erwachsene und Heranwachsene lieb ist, so ist es eben auch nicht jedes Kind (und das ist auch gut so).

    Ach so, und noch zum Thema Pubertät: Es ist keinesfalls so, dass Grundschullehrer nicht in Kontakt mit dieser Phase menschlicher Heranreifung kommen. Denn Grundschüler kommen immer früher in die Vorpubertät und man mag kaum glauben, wie "cool" bereits Dirtt- oder Viertklässler sein und wie "uncool" sie den Lehrer finden wollen.
    Der einzige Unterschied zu den weiterführenden Schulen ist hier aber: Meistens gelingt es ihnen nicht gänzlich und im Inneren wollen sie immer noch ganz gerne die Lehrkraft knuddeln.
 
So, dies waren nur ein paar, aber mit die gängigsten Vorurteile über den Beruf des Grundschullehrers. Es gibt sicherlich noch viel mehr...
Aber das Schöne ist, dass man viele dieser Vorurteile durch Fakten ein bisschen gerade biegen kann.















Mittwoch, 10. September 2014

Lesen, Lernen und Läusealarm - Der Grundschulblog: Hilfe- mein Kind könnte normal sein!

Lesen, Lernen und Läusealarm - Der Grundschulblog: Hilfe- mein Kind könnte normal sein!: Eine der skurrilsten Anekdoten meiner bisherigen Laufbahn stellt folgende kleine Geschichte dar: Ein Mädchen erzählte in der Frühstückspause...

Hilfe- mein Kind könnte normal sein!

Eine der skurrilsten Anekdoten meiner bisherigen Laufbahn stellt folgende kleine Geschichte dar: Ein Mädchen erzählte in der Frühstückspause einer Freundin, dass sie am Nachmittag "zum gleichen Psychologen" gehe wie eben diese Freundin. Hier soll hinzugefügt werden, dass ihre Freundin durchaus begründet den Psychologen aufsuchte, doch das besagte Mädchen ein völlig unauffälliges, selbstbewusstes und fleißiges Mädchen war.
Als ich diese hörte, hat ich sie, zu mir zu kommen, und fragte sie unter vier Augen: "Warum sollst du denn zum Psychologen gehen?" Ihre Antwort werde ich niemals vergessen: "Mama meint, ich muss da jetzt auch mal hin, weil fast alle anderen auch gehen...".
Jetzt könnte man meinen, das Mädchen habe vielleicht etwas falsch verstanden, jedoch glaubte ich ihr sofort instinktiv. 
Darum sprach ich beim nächsten Mal die Mutter an und fragte, warum ihre Tochter zum Therapeuten gehe. Ihr Antwort war noch skurriler als die Äußerung ihrer Tochter: "In meiner Familie leiden viele unter Depressionen und ich habe mich gewundert, warum ... (Name ihrer Tochter) immer so fröhlich ist. Vielleicht hat sie ja eine manische Depression...".
Gott sei Dank fiel mein Weltbild nicht vollkommen zusammen, da die zu Rate gezogene Psychologin das Mädchen ebenfalls als "fröhliches, intelligentes und psychologisch unauffälliges Kind" betitelte, aber zugleich der Mutter riet, sich wegen "undefinierbaren Ängsten und Panikattacken" behandeln zu lassen.

Leider sind derartige Ängste von Schülereltern nichts Außergewöhnliches, sondern mittlerweile Alltag für uns Grundschullehrer. Beim ersten Elterngespräch nach wenigen Schultagen des ersten Schuljahres bekam eine Kollegin von einer Mutter einen Haufen voll Diagnosen vorgelegt, was unzählige Ärzte und Therapeuten angeblich über ihren Sohn herausgefunden hätten: diverse Lernschwächen und soziale Phobien waren darunter zu finden.

Meiner Kollegin zufolge war der Junge war zwar auffällig ruhig, aber keinesfalls lernschwach oder schüchtern. Was sich allerdings um Laufe der Zeit herausstellte, war, dass Gewalt in der Familie eine gravierende Rolle spielte. Dies hatte jedoch keiner der Ärzte und Therapeuten diagnostiziert...

Ich arbeite wirklich sehr gut mit außerschulischen Partnern, wie dem Jugendamt, Medizinern und diversen Therapiestellen zusammen. Meist ist unsere Arbeit professionell und kooperativ; es werden fundierte Diagnosen gestellt und gemeinsam Förderwege eingeleitet.

Leider gibt es aber auch Experten, die zu sehr auf die Ängste der Eltern eingehen und häufig zu rasch Diagnosen stellen. Besonders beliebt sind hier die Befunde "LRS", "Diskalkulie" und "ADS bzw. ADHS" zu finden.
Und nicht immer stimmen diese Diagnosen mit unseren persönlichen, innerschulischen Beobachtungen und Erfahrungen überein. Nicht selten wird eine LRS viel zu früh bescheinigt, wenn der Lese-Schreibprozess bei einem Kind noch voll im Gange ist. Nicht selten wird eine ADHS bescheinigt, obwohl das impulsive und/ oder unkonzentrierte Verhalten eines Kindes keinerlei negative Auswirkungen auf sein soziales oder schulisches Verhalten hat. Nicht selten wird bei einem Kind Diskalkulie diagnostiziert, obwohl es schlechthin bestimmte mathematische Aspekte wiederholen, üben oder intensivieren muss.

Und tatsächlich scheint es für viele Eltern etwas Beunruhigendes zu sein, wenn ihr Kind für sie "seltsam" oder auch einfach "normal" zu sein scheint bzw. sie dessen Zukunft nicht zu 100% planen können. Dies passt vollkommen in unsere heutige, sehr unsichere Zeit: Man möchte das Beste für das eigene Kind, die besten Noten und nimmt dafür auch in Kauf, dass dieses vielerlei Untersuchungen über sich ergehen lassen, ggf. eine Diagnose hinnehmen oder gar Medikamente einnehmen muss.

Repräsentativ dafür sind auch die Eltern, die bereits im ersten Schuljahr nach der möglichen Form der weiterführenden Schule fragen...

Wir Lehrer schmunzeln häufig über solche Anekdoten, sind uns der Ernsthaftigkeit hiervon allerdings bewusst. Dass besagte Eltern nicht aus Bösartigkeit heraus handeln, ist uns klar. 

Darum müssen wir diesen - auch mit ein wenig Humor und Lockerheit, jedoch mit großem Verständnis- beratend zur Seite stehen und ihnen Ängste nehmen.
Es ist nichts Schlimmes, wenn ihr Kind zur Therapie muss, aber ebenfalls kein Manko, wenn ein Therapiebesuch eben nicht nötig ist.
Wir Grundschullehrer sind eben nicht nur Lernbetreuer für die Kinder, sondern eben auch Berater und "ein offenes Ohr" für die Eltern.


Übrigens sei an dieser Stelle auch angemerkt, dass es ebenfalls viele Mütter und Väter gibt, die den schulischen Werdegang ihrer Kinder zwar durchaus mit dem nötigen Ernst und Engagement, aber dennoch ergebnisoffen und ebenfalls mit etwas Humor angehen. 

Dies haben sie mit uns Lehrern gemein.








Mittwoch, 3. September 2014

Ein echt schöner Beruf

Der Beruf des Grundschullehrers/ der Grundschullehrerin ist ein wirklich toller und abwechslungsreicher, der dir jeden Tag etwas zurückgibt: manchmal mehr, manchmal weniger. Allerdings (!!!) sollte man ein Stück weit für diesen Beruf geboren sein.

Ich persönlich freue mich eigentlich jeden Abend auf den kommenden Schulmorgen (an einem Montag natürlich ein wenig weniger als ein einem Donnerstag ^^) und auf das, was mich erwarten wird. Denn: Kein Schultag ist wie der andere.
Irgendetwas Unerwartetes passiert immer, das deine Planungen über den Haufen wirft und dein ganzes Improvisationstalent fordert.
Aber der Reiz aus diesen vielen Faktoren - Wissen vermitteln, Erziehen, Nähe geben, Unterricht planen, durchführen, verändern, verwerfen und und und - macht den Charme dieses Berufes aus.


Darum freue ich mich auch über jedes Mädchen und über jeden Jungen (über die ganz besonders, da wir Männer in den Grundschulen brauchen!!!), die/ der diesen Beruf ausüben und sich daher als Praktikant/ in in diesem Beruf ausprobieren möchte.
Ich selbst begleite und berate äußerst gerne junge Nachwuchspädagogen oder solche, die es einmal werden möchten. Allerdings konfrontiere ich sie auch immer mit den "Schattenseiten" dieses Berufes, damit sie sehen, dass das Grundschullehrer-Dasein sehr viel mehr ist als der Umgang "mit den lieben Kleinen".

Jahrzehntelang war das Hochschulstudium lediglich theoretisch orientiert und hatte enorm wissenschaftliche Züge. Man erhielt ein äußerst fundiertes Wissen aus vielerlei Bereichen, kam mit einer extrem guten Allgemeinbildung aus dem Studium und damit ins Referdariat. Und was geschah da häufig? Der ein oder andere stand plötzlich vor einer Klasse und dachte nur: "Wer hat mir gesagt, dass ich mit Kindern arbeiten muss???"  oder beklagte sich: "Iiiiiih, da sind ja Kinder!"
Dies hat sich - zumindest dort, wo ich studiert habe und unterrichte, in NRW - mittlerweile verändert: Noch immer erhält man im ersten Ausbildungsabschnitt ein wirklich gutes Wissen vermittelt, jedoch hat sich das Studium auch um eine stärkere Betonung der Praxis erweitert. Einige Praktika muss man durchlaufen, u.a. auch bereits vor dem Studium. In diesem, so gegannnten "Eignungspraktium", müssen sich die Interessenten noch vor Studienbeginn mindestens 21 Tage in der Schule orientieren und mit einer Mentorin schriftlich begleiten. Am Ende des Praktikums wird dieses gemeinsam, anhand vorgegebener Kriterien, besprochen und der Berufswunsch kritisch reflektiert. Die begleitende Lehrkraft gibt eine persönliche Meinung über die Eignung ab, die allerdings nicht bindend ist (was meiner Meinung nach auch gut ist, da unterbewusst auch immer persönliche Dinge eine Rolle spielen und die "Eignung" nicht von einer Person abhängen sollte). Dennoch können sich die meisten Praktikanten nach den drei Wochen (die häufig auch verlängert werden) ein authentisches Bild über die Arbeit in der Schule machen und entscheiden sich dann entweder für oder gegen das Studium. Auch zweiteres habe ich des Öfteren erlebt.


Darum rate ich JEDEM Interessenten an diesem tollen Beruf, auch wenn er/ sie kein Eignungspraktikum absolvieren muss, vor dem Studium in möglichst verschiedenen Schulen hinein zu schnuppern und zu schauen, ob er/ sie es sich vorstellen könnte, in diesem Beruf und in dieser Atmosphäre zu arbeiten.


Leider gibt es immer noch die uralten Vorurteile - vor allem von Elternseite - à la: "Das ist doch ein toller Beruf: Du hast mittags frei, drei Monate im Jahr Ferien und wirst Beamter auf Lebenszeit."
Wer diese drei Gründe als federführend angibt, sollte den Beruf nicht ergreifen. Denn all dies muss nicht unbedingt so sein: Mittags hat man nur selten frei (nach dem Unterricht ist vor dem Unterricht); in den Ferien muss man trotzdem arbeiten und zudem weitaus mehr für einen Urlaub bezahlen als außerhalb der Ferien. Und: Verbeamtet wird heutzutage noch längst nicht jeder Lehrer!
Geht man mit diesen Vorstellungen in den Beruf, tut man weder den Schüler/innen noch sich selbst einen Gefallen. Glücklich wird man damit nicht.



Wer jedoch die folgenden Fragen innerlich mit Ja beantwortet, ist in diesem Beruf sicherlich gut aufgehoben und wird seine wahre Freude daran haben:


- Mag ich Kinder?
- Akzeptiere ich Kinder samt ihrer speziellen Besonderheiten?
- Bin ich stressressistent?
- Kann ich mich vor einer Klasse, gegenüber Eltern und Kollegen selbstbewusst behaupten?
- Zeige ich Verständnis für unterschiedliche, vielleicht mir umbekannte, Lebens- und 
  Familienformen?
- Bin ich spontan, offen für Neues?
- Nehme ich Veränderungen an?
- Nehme ich auch einmal viel Papierkram auf mich?
- Habe ich eine positive Lebenseinstellung und eine freundliche Ausstrahlung?
- Mache ich mich auch gerne mal lächerlich?

Und natürlich das ausschlaggebenste aller Lehrer-Kriterien: Bin ich ein "Alles- und Besserwisser" oder kann ich, wenn ich einmal etwas nicht weiß, wenigstens den glaubwürdigen Eindruck vermitteln, als wüsste ich es? ;)

Ich würde mich freuen, viele engagierte und positive Nachwuchslehrer im Kollegium zu begrüßen. Denn: Es ist einer der schönsten Berufe, die es gibt!



Der Stereotypen-Virus hat mich ereilt

Lange hat man nichts mehr von mir lesen können. 
Neben diversen Ausflügen, Terminen und dem üblichen Zeugnisstress im Frühjahr ereilte mich im Sommer nun auch noch ein Virus, der leider als Stereotype zu bezeichnen ist. 
Da ich bekanntlich nicht gerne der Norm entspreche, müsste ich diesen "Infekt" daher ziemlich blöde finden, allerdings kann ich dies nicht von mir behaupten...^^

Der beschriebene Virus befällt gerne Grundschullehrerinnen um die 30, bevorzugt rund um die Verbeamtung auf Lebenszeit und wirkt auf das Schulleben nicht selten chaotisierend. 
Ja, der ein oder andere Fuchs wird den Virus bereits erkannt haben: 
Es handelt sich um die berühmte Grundschullehrerinnen-Gravidität, oder: Ich bin schwanger!!!

Trotz großer Freude über den kommenden Nachwuchs sind mit einer Erstschwangerschaft natürlich stets unzählige Fragen, diverse körperliche "Nebenwirkungen", einige Ängste, aber bei Lehrerinnen eben auch einiges an Formalitäten verbunden:
Wenn die Lehrerin weiß, dass sie Nachwuchs erwartet, soll sie laut Gesetz relativ frühzeitig dem Arbeitgeber darüber in Kenntnis setzen. Über den Dienstweg wird dann seitens der Schulaufsicht ein "Dienstverbot"erteilt, das solange in Kraft ist, bis dass der BAD (Berufsgenossenschaftlicher Arbeitsmedizinischer und sicherheitstechnischer Dienst e.V.) - nach einer Untersuchung der Lehrerin- sein schriftliches Okay zur Wiederaufnahme des Dienstes ausgegeben hat. Der BAD überprüft zum Schutze des Kindes und der Mutter den Impfstatus, schätzt darüber hinaus durch die Angaben seitens der Schulleitung das Gefahrenpotenzial an der jeweiligen Schule ein und gibt dann im Normalfalle sein Okay.

Tja, und genau dies ist in meinem Fälle nicht so richtig erfolgt. Wie so oft in meinem Leben verlief dieser Prozess mit ein paar Hindernissen: Da mein Rötelnschutz TROTZ IMPFUNG (!!!) nur "grenzwertig" war, darf ich nun bis zur 20. Woche nicht in die Schule, aber -gottseidank- vielfältige administrative Aufgaben für die Schule erledigen (sonst würde ich Hyperaktiven Wesen wahrscheinlich eingehen).

Das Schlimmste daran ist aber leider der Umstand, dass ich die Klassenleitung "meiner Süßen" damit abgeben musste (was natürlich verständlich ist, da ich ja voraussichtlich nur 
von Oktober bis Januar anwesend sein werde) ... 
meiner allerersten eigenen Klasse, die ich bis hierhin, zur vierten Klasse, habe begleiten, sich entwickeln und aufwachsen sehen dürfen. Richtige Trauer und Verlustgefühle überfielen mich zunächst - was allerdings auch mit dem Überfluss an weiblichen Hormonen zu tun hatte - und auch jetzt bin ich häufiger noch etwas wehmütig, auch wenn ich die Kiddies in sehr guten Händen weiß. 
Auch tröste ich mich natürlich mit meinem eigenen Nachwuchs, der Tag für Tag wächst, und mit dem Umstand, dass ich die Kids ja in ein paar Wochen wiedersehen werde.
Außerdem bin ich ja noch voll in das Schul- und Klassenleben integriert, da ich dem neuen Klassenlehrer - einem komplett neuen Kollegen - auch jetzt mit Rat und Tat zur Seite stehe und über News, Klatsch und Tratsch stets informiert werde.

Auch die Eltern haben sich wohl mit der neuen Situation arrangiert, nachdem die ein oder 
anderen zunächst etwas "Respekt vor dem neuen Lehrer" gehabt hatten und/ oder die neue Rollenkonstellation noch nicht verinnerlicht hatten. 
Heute sind alle auf Klassenfahrt gefahren und ich wünsche allen, - den Kindern und ihrem Klassenlehrer - dass es ganz tolle Tage werden.  Das Spätsommerwetter stellt ja eine hervorragende Grundlage zum Einander-Besser-Kennenlernen dar, was alle Beteiligten sicherlich nutzen werden.

Ich persönlich werde derweil meinen "Virus" genießen und mich peu à peu damit anfreunden, dass ich dem Stereotypen einer Grundschullehrerin dann doch ein Stück   weit entspreche ... aber bitte nur in diesem Kontext!


:)